„Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel!“Das 0:0 der Löwen am Hamburger Millerntor gegen den FC St. Pauli kommentierte 1860-Kapitän Danny Schwarz wie folgt:
„Zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel!" Zwar blieben die Weiß-Blauen auch im dritten Auswärtsspiel 2008 ungeschlagen, aber durch die Punkteteilung beträgt der Abstand auf einen Aufstiegsplatz bereits sechs Zähler.
Personal: Löwen-Coach Marco Kurz musste am Millerntor auf Gregg Berhalter (5. Gelbe Karte), Berkant Göktan (Lauftraining nach Bandscheiben-OP), Timo Gebhart (Muskelfaserriss), Mate Ghvinianidze (Reha nach Außenmeniskusschaden), Markus Schroth (Reha nach Knie-OP), Nikolas Ledgerwood (Olympia-Quali mit Kanada), Björn Ziegenbein (Muskelprobleme), Alexander Eberlein (Bänderdehnung) und Manuel Schäffler (Knieprobleme) verzichten. Dafür saß nach drei Monaten Verletzungspause erstmals wieder Antonio Di Salvo auf der Bank.
Spielverlauf: Nach gutem Beginn verloren die Löwen nach einer Viertelstunde ihre Linie. Statt zu kombinieren, wurden die Bälle immer wieder lange nach vorne geschlagen, wo Mustafa Kucukovic wenig gegen die Innenverteidigung der Hanseaten ausrichten konnte. Gefährlich wurde es nur über die rechte Seite, auf der Daniel Bierofka mächtig wirbelte, aber seine Flanken fanden nicht die Mitspieler. Es dauerte bis zur 41. Minute, ehe die Sechziger die erste Großchance besaßen. Und diese resultierte noch aus einem Fehlpass von Charles Takyi in der eigenen Hälfte. Kucukovic ging dazwischen, lief alleine Richtung St. Pauli-Tor, aber dem 21-Jährigen versprang der Ball, sodass der herauseilende Torhüter Patrick Borger mit dem Fuß klären konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Gastgeber schon einige hochkarätige Möglichkeiten vergeben. Besonders René Schnitzler verlor einige Male das Duell gegen Löwen-Keeper Philipp Tschauner, der den Vorzug vor Routinier Michael Hofmann erhalten hatte. So konterte der Kiez-Klub in der 13. Minute über die rechte Seite, Timo Schultz flankte, Schnitzler verpasste knapp in der Mitte. Sechs Minuten später passte Takyi steil auf Schnitzler halbrechts am Löwen-Strafraum, der lief noch ein paar Schritte auf Tschauner zu, der geschickt den Winkel verkürzte und seinen Schuss parierte (19.). In der 35. Minute spielte Filip Trojan aus zentraler Position in die Schnittstelle der Löwen-Innenverteidigung. Schnitzler enteilte Markus Thorandt, Tschauner warf sich am Elfmeterpunkt ihm entgegen, begrub den Ball unter sich. So hatten es die Löwen vor allem ihrem Keeper zu verdanken, dass es zur Pause noch 0:0 stand.
Sven Bender musste wegen einer Oberschenkelprellung in der Kabine bleiben, für ihn kam Josh Wolff. Trainer Marco Kurz stellte um, ließ ein 4-4-2-System mit Kucukovic und José Holebas als Spitze spielen, Bierofka wechselte nach links, Wolff spielte rechts. Und es lief wesentlich besser als in den ersten 45 Minuten. Das einzige Manko: der finale Pass kam weiterhin nicht an. In der 67. Minute setzte sich Bierofka links im Strafraum durch, flankte von der Grundlinie auf den zweiten Pfosten, aber Kucukovic ging nicht zielstrebig genug zum Ball, versuchte zu schießen anstatt zu köpfen und verpasste das Leder. Beinahe hätten die Gastgeber in diese dominante Phase der Sechziger die Führung erzielt. Der kurz zuvor eingewechselte Ahmet Kuru tanzte im Löwen-Strafraum Torben Hoffmann aus, sein Linksschuss aus sieben Meter kurz vorm linken Torraumeck konnte Tschauner zum Eckball abwehren (70.). Danach waren die Hanseaten wieder zurück im Spiel. Und erneut rettete Tschauner die Führung. Morike Sako hatte aus 25 Meter einfach flach draufgehalten, der Ball sprang kurz vorm Torraum an einer Grasscholle in die Höhe, Tschauner reagiert blitzschnell, wehrt den Ball nach vorne ab, Kuru setzte nach, aber der Löwen-Keeper warf sich ihm entgegen, konnte nochmals parieren (78.). Zwei Minuten später besaßen die Löwen die beste Möglichkeit der 2. Halbzeit. Kucukovic hatte auf der rechten Seite quer in den Strafraum gelegt, der kurz zuvor eingewechselte Chhunly Pagenburg kam von hinten angesprintet, versuchte mit seinem Schuss am rechten Torraumeck Keeper Bogner zu überwinden, doch der klatschte den Ball ins Tor-Aus ab. Erneut beendeten die Löwen gegen einen dezimierten Gegner das Spiel. Björn Brunnemann kam kurz hinter der Mittellinie gegen Fabian Johnson viel zu spät, grätschte ihn von hinten um und sah völlig zurecht die Rote Karte (86.). Die Löwen konnten daraus aber keinen Vorteil mehr ziehen, zumal Schiedsrichter Lutz Wagner das Spiel 15 Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit beendete.
Stimmen zum SpielLöwen-Chefcoach Marco Kurz reagiert mittlerweile genervt auf die Frage nach der Torflaute bei seinem Team. „Man muss sehen, mit welchen Möglichkeiten wir spielen. Die jungen Spieler haben eine gute Qualität, aber noch nicht die eines guten Zweitliga-Stürmers." Trotzdem ist er zuversichtlich, „dass es irgendwann wieder mit dem Toreschießen klappt". Ein erster Lichtblick war die Rückkehr von Antonio Di Salvo, dem mit sieben Treffern nach wie vor besten 1860-Torschützen, nach verletzungsbedingter vierteljährlicher Spielpause. „Nach dem ersten Konter von St. Pauli, etwa nach einer Viertelstunde, sind wir aus dem Tritt gekommen. In der Folge haben wir mehr geschlagen als gespielt", bemängelte der 38-Jährige. „In der 2. Halbzeit waren wir dann dominanter."
St. Paulis Teammanager Holger Stanislawski war mit dem einen Punkt für sein Team alles andere als zufrieden. „In einem Heimspiel ist ein 0:0 nie okay. Zu Hause wollen wir immer gewinnen. In der 1. Halbzeit hatten wir fünf, sechs gute Chancen, in der 2. Hälfte war es ein offenes Spiel." Stanislawski bedauerte besonders die vergebenen Möglichkeiten seines Stürmers René Schnitzler. „Wenn man solche Chancen wie er bekommt, muss man einfach im Eins gegen Eins eine reinmachen."
„Wir hatten uns einen Dreier vorgenommen", zeigte sich Verteidiger Torben Hoffmann von dem einen Punkt enttäuscht. „Hinten haben wir gut gestanden, aber vorne müssten wir mal in der Lage sein, den Ball über die Linie zu bringen. Von hinten raus spielen wir ordentlich, doch je näher wir an den gegnerischen Strafraum kommen, umso mehr verkrampfen wir."
Einer, der diese Verkrampfung lösen könnte, wäre Antonio Di Salvo. Doch der in Paderborn geborene Italiener dämpft die Erwartungen an ihn. „Es war schön, nach dreimonatiger Verletzungspause wieder spielen zu dürfen. Training und Spiel sind aber zwei Paar Stiefel. Fürs Erste war es ganz Okay. Jetzt ist es wichtig, dass ich mir die nötige Fitness in den Spielen hole." Die momentane Torflaute bezeichnet er als „keine schöne Situation, aber uns fehlt einfach auch das Quäntchen Glück".
Löwen-Kapitän Danny Schwarz sprach von einem Spiel mit hohem Tempo. „Es war ein offener Schlagabtausch. Bei der ein oder anderen Schiedsrichter-Entscheidung fehlte uns das Glück." Der 32-Jährige meinte damit einen möglichen Elfmeterpfiff bei einem Foul im Strafraum gegen Daniel Bierofka vor der Pause und eine Abseitsentscheidung, ebenfalls gegen Bierofka, bei der er alleine aufs Tor der Hanseaten zugesteuert wäre. „Andererseits müssen wir froh sein, nicht verloren zu haben. Philipp hat in einigen Szenen super reagiert. Der Punkt ist
zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel! Mit dem Unentschieden kommen wir nicht von der Stelle." Der Routinier kündigt an: „Wir lassen uns nicht entmutigen, werden nicht aufgeben."
1860-Keeper Philipp Tschauner, der bereits vor dem Abflug nach Hamburg erfahren hatte, dass er auch nach der Rückkehr von Michael Hofmann die Nummer eins bleibt, war zufrieden mit seiner Leistung. „Es war wichtig, dass die Null steht", so der 22-Jährige. „Ich hatte im gesamten Spiel ein gutes Gefühl." Schmunzelnd fügte er hinzu: „Flutlichtspiele liegen mir." Seit seiner Rückkehr ins Löwen-Tor wurde der Franke lediglich im Pokal von Franck Ribery per Elfmeter bezwungen. Aus dem Spiel heraus ist er seit fast 270 Minuten ohne Gegentreffer. Die Entscheidung von Trainer Kurz zu seinen Gunsten habe ihn überrascht, „weil Michi gut gehalten hatte". Seinem Torwartkollegen attestierte Tschauner, dass er super auf seine Zurückstufung reagiert habe. „Ich versuche nun meine Leistung von Spiel zu Spiel zu bringen", weiß Tschauner, dass er keinen Freifahrtsschein hat.
St. Paulis erfolgloser Stürmer René Schnitzler sah den Löwen-Torwart als Vater des Remis an: „Philipp Tschauner war der große Rückhalt bei den Löwen. Die können sich bei ihm für den Punkt bedanken." 1860 habe im gesamten Spiel keine richtige Chance besessen. „Wir nutzen unsere Möglichkeiten nicht, das ist derzeit unser Problem."