Sieben Treffer in neun Ligaspielen, dazu ein Dreierpack im DFB-Pokal – Antonio Di Salvo glänzt bislang mit einer tollen Trefferquote. Und knüpft damit an seine gute Anfangszeit bei den Löwen an.
Die Nummer 9 des TSV 1860 war in der Vorsaison von Hansa Rostock an die Grünwalder Straße gewechselt. Die Eingewöhnung in München verlief absolut problemlos, sportlich integrierte er sich schnell, seine Torjägerqualitäten stellte er schon in der Sommervorbereitung unter Beweis, in der er mit acht Treffern die interne Rangliste anführte. Während die Hinrunde im Großen und Ganzen „recht okay“ verlaufen war, ließ ihn eine Verletzung nach der Winterpause überhaupt nicht mehr in Tritt kommen. Gleich zu Anfang der Vorbereitung auf die Rückrunde zog er sich eine Muskelverletzung im Oberschenkel zu, die sich als langwieriger als erwartet herausstellte. Erst Anfang April konnte er wieder in das Mannschaftstraining einsteigen, doch sein Platz bis zum Ende der Saison war mehr die Bank als der grüne Rasen, seine Spielanteile blieben gering. „Die Verletzung hat mich völlig aus der Bahn geworfen, ich konnte nicht regelmäßig trainieren und habe dadurch zu viel verpasst. In der Rückrunde habe ich meinen Rhythmus nicht mehr gefunden“, erinnert sich Di Salvo.
Gezweifelt, ob der Schritt zu den Löwen der richtige war, hat er dennoch zu keinem Zeitpunkt. „Solche Gedanken hatte ich überhaupt nicht. Es macht mir unheimlich viel Spaß für diesen Verein zu spielen, ich hatte immer ein absolut positives Gefühl.“ Obwohl er infolge der Verletzung seinen Stammplatz verloren hatte, spürte er stets „eine große Akzeptanz innerhalb der Mannschaft und im Verein“. „Da ich wusste, warum ich nicht erste Wahl war und dass es einen Zusammenhang mit meiner Verletzung gab, konnte ich gut damit umgehen. Ich war mir sicher, dass ich wieder angreifen werde.“
Vielleicht hat es ihm geholfen, dass er während seiner bisherigen Laufbahn immer wieder einmal von Verletzungen zurückgeworfen wurde und insofern gelernt hat, mit diesen Phasen umzugehen. Wie bei seinem letzten Verein Hansa Rostock, wo er insgesamt fünf Jahre spielte, vier davon in Liga eins. „In Rostock war es für mich ein ständiges Auf und Ab, da ich relativ oft verletzt war.“ Und er erinnert sich an ein Dreivierteljahr, zwischen April 2002 und Januar 2003, wo er auf fast keinen einzigen Einsatz gekommen war. „Ich hatte damals einen Faserriss im Bauchmuskelbereich und zu früh angefangen.“ Eine Fehlstellung und ein Ermüdungsbruch waren die Folge, „letztendlich fiel ich lange Zeit aus“. Zurückgekämpft hat er sich stets, sowohl bei Hansa, wo er anschließend in der Saison 2003/2004 mit dem Ex-Löwen Martin Max ein sehr erfolgreiches Sturmduo bildetet, oder jetzt eben beim TSV 1860 München.
„Wieder angreifen“, dieses Ziel ist ihm also in der Tat gelungen. Und als derzeit bester Torschütze der Löwen hat er sich nach dem Tief der letzten Saison eindrucksvoll zurückgemeldet, und ist darüber vielleicht selbst am glücklich¬sten. „Ich freue mich, dass es so gut läuft und dass ich gesund bin.“ Natürlich ist er mit seiner guten persönlichen Bilanz überaus zufrieden, „ein Stürmer wird eben immer an Toren gemessen“, aber „das Wichtigste ist der Erfolg der Mannschaft, dem ordne ich alles unter.“ Dass der 28-Jährige ausgesprochen mannschaftsdienlich spielt, weiß auch Trainer Marco Kurz zu schätzen. „Er erarbeitet sich nicht nur viele Chancen, sondern hilft auch in der Defensive mit.“ Und er glänzt immer wieder als wertvoller Vorlagengeber, wie zuletzt beim 2:0-Sieg in der Auswärtspartie bei Carl Zeiss Jena, als er den Ball perfekt zu Berkant Göktan passte. Egoismus vor dem Tor ist dem sympathischen Vater einer kleinen Tochter fremd. Für den Chefcoach kam das Hoch seines Spielers übrigens keineswegs überraschend. „Von seiner Qualität waren wir immer überzeugt.“ Und er betont, wie fleißig und zielstrebig Antonio Di Salvo in den vergangenen Monaten gearbeitet hat und dies auch jetzt mit der gleichen Intensität fortsetzt. „Er hat sich seine Form und Leistung in einer langen Vorbereitungszeit erarbeitet, jetzt erntet er die Früchte“, lobt Kurz.
Und trägt nicht zuletzt mit seinen Toren zum Erfolg der Mannschaft bei. Dass die Löwen auch nach neun Spieltagen noch immer auf einem Aufstiegsplatz stehen und derzeit so positive Schlagzeilen schreiben, nimmt er gerne zur Kenntnis, weiß aber, wie schnell die Welt sich im Fußball dreht. „Wir müssen nach wie vor vorsichtig sein, denn wir stehen noch immer am Anfang einer langen Saison. Wie stabil wir wirklich schon sind, wird sich erst noch zeigen“, übt er Zurückhaltung. Dass jedoch „ein neuer Geist zu spüren ist“, macht ihn zuversichtlich, zumal mit Marco Kurz ein Trainer die Verantwortung übernommen hat, „der uns als Mannschaft sehr gut tut“. Mit seinen 28 Jahren steht er selbst im Team quasi in der Mitte zwischen der Fraktion der ganz Jungen und den älteren Spielern, doch das Alter spielt für Antonio Di Salvo überhaupt keine Rolle. „Es ist nicht entscheidend, wie alt man ist, sondern was man auf dem Platz drauf hat und wie man sich menschlich einbringt.“ Insofern rede er mit den Youngsters sehr viel, „vor allem natürlich über Fußball“. Mit den Älteren im Team, gerade die, die ebenfalls Kinder haben, gebe es dagegen wieder andere Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte.
Sein Privatleben verbringt Antonio Di Salvo eigentlich überwiegend mit „Nicht-Fußballern“, wie zum Beispiel langjährigen Freunde aus Paderborn, die es inzwischen ebenfalls in die bayerische Landeshauptstadt verschlagen hat. Der Hauptanteil der verbleibenden freien Zeit neben Training, Trainingslagern, Reisen und Spielen gehört dabei unumstritten der Familie, seiner Frau Kerstin und Tochter Laetitia, die im Januar zwei Jahre alt wird. Außerdem gehört zum Haushalt ein Hund. „Früher bin ich in meiner Freizeit gerne ins Kino gegangen, heute genießen wir einfach jede freie Minute mit unserer Kleinen.“
Di Salvos Eltern leben übrigens wie seine beiden Geschwister Tanja und Vincenzo noch immer in Paderborn, wo auch Antonio geboren wurde und aufgewachsen ist. Vater Luigi und Mutter Rosaria waren 1970 von Sizilien nach Deutschland gekommen, „Toni“, wie ihn seine Mannschaftskollegen nennen, besitzt deshalb auch die italienische Staatsbürgerschaft. Leider habe er es seit nunmehr drei Jahren nicht mehr geschafft, seine Großeltern, Tanten und Cousins bei Catania und Agrigento auf Sizilien zu besuchen. Als er selbst noch klein war, habe er mit seinen Eltern jährlich meist vier bis fünf Wochen im Jahr in Italien verbracht, diese Tradition hat er auch später fortgesetzt. „Durch die Geburt unserer Tochter, die eigene Hochzeit, hat es zuletzt nicht mehr geklappt.“
Tatsächlich fühlt er sich selbst mehr als Italiener, und das liegt nicht nur an der guten Küche. „Nach dem Essen brauche ich unbedingt einen Espresso“, erzählt er lachend, aber es gebe darüber hinaus viele Kleinigkeiten, die seine italienischen Wurzeln zum Vorschein bringen. Auf der anderen Seite habe er dadurch, dass er in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, auch „viel Deutsches“ adaptiert. „Pünktlichkeit, Disziplin, Zuverlässigkeit, das sind Dinge, die ich übernommen habe und die ganz wichtig sind.“ Die Tatsache, dass er die Wahl gehabt habe, „zwischen zwei Kulturen die besten Dinge mitzunehmen“, empfindet er als Privileg. Dies gilt in gleicher Weise für seine Zweisprachigkeit. „Für ein Kind ist das ein großes Geschenk, und wir wollen das unserer Tochter auch mit auf den Weg geben.“ Und so wird im Hause Di Salvo sowohl Deutsch als auch Italienisch gesprochen, wobei Deutsch überwiegt. „Mit Kerstin spreche ich Deutsch, obwohl sie Italienisch sehr gut versteht.“ Mit der kleinen Laetitia dagegen spricht Antonio möglichst viel Italienisch. „Ich glaube, es klappt ganz gut, sie versteht mich und reagiert darauf.“
Wie wohl sich Di Salvo und seine Familie in München fühlen, liegt ein bisschen auch an seiner Frau. Zwar haben sich die beiden in Paderborn kennen gelernt, doch Kerstins Familie stammt ursprünglich aus Altötting. Während Antonio in den Ferien nach Sizilien gereist ist, verbrachte sie den Sommer im Süden Deutschlands. „Das hat sie geprägt. Sie hat immer davon geträumt, irgendwann nach Bayern zu ziehen.“
Antonio selbst schätzt München seit seiner Zeit beim FC Bayern. Dorthin wechselte er im Januar 2000, nachdem Michael Henke, damals bereits Co-Trainer von Ottmar Hitzfeld, den Stürmer bei SC Paderborn ausgesprochen torreich hatte spielen sehen. Doch schon nach eineinhalb Jahren war das Kapitel bei den Roten beendet, Di Salvo fand sich mit Ausnahme von insgesamt sieben Einsätzen bei den Profis – einmal durfte er sogar in der Champions League bei Dynamo Kiew ran – mehr in der Regionalliga Süd als in der Bundesliga wieder und musste sich als „Stürmer Nummer sieben oder acht“ hinter Elber, Sergio, Zickler, Santa Cruz, Jancker oder Salihamidzic einreihen. „Ich wollte kontinuierlich Bundesliga spielen“, und so verschlug es ihn schließlich zum FC Hansa Rostock.
Dass ihn der Wechsel zu den Löwen wieder zurück in den Süden der Republik gebracht hat, macht die Sache umso schöner. Der Traum, noch einmal im Fußball-Oberhaus zu spielen, darf auch an der Grünwalder Straße weitergeträumt werden. Mit dem entscheidenden Vorteil, dass die Vereinsfarbe Blau jetzt mit der Farbe seiner zweiten großen fußballerischen Liebe harmoniert: der Squadra Azzurra. Italiener bleibt eben Italiener.