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 Tagespolitik
Mangojerry Offline

500PS

Beiträge: 6.438

28.10.2006 14:48
Das ``letzte Gesicht´´ Zitat · Antworten

Starnberger Bildhauerin Beate Pohlus fertigt Gipsabgüsse von Verstorbenen

Starnberg (ddp-bay). Mit der Kunst der Totenmaske bewahrt sie eine uralte Tradition und ein seltenes künstlerisches Metier: Bildhauerin Beate Pohlus aus dem oberbayerischen Starnberg fertigt Gipsabdrucke von Verstorbenen. ``Eine Totenmaske ist der letzte Dienst des Andenkens für die Angehörigen´´, sagt sie.
Mit einem Kreuzzeichen über dem Gesicht der Verstorbenen und einem kurzen Gebet geht Pohlus an ihr Werk. ``Bei einem Verstorbenen bin ich aus Pietät und Respekt vorsichtiger als bei Lebenden, die einen Abdruck wünschen´´, erläutert die 46-Jährige. Wenn Angehörige ein ``letztes Gesicht´´ wünschen, wird sie spätestens am zweiten Tag nach dem Ableben gerufen. Entweder noch in der Klinik oder in der Leichenhalle nimmt die Künstlerin dann einen Abdruck: ``Es besteht unter dem Zeitdruck der Beerdigung nur eine einzige Möglichkeit für einen Abdruck.´´
Mit einem Pinsel trägt die Künstlerin dünne Gipsschichten auf das zuvor mit Vaseline oder Melkfett vorbereitete Gesicht auf. Zwei Fäden von der Stirn jeweils über das Auge zum Kinn trennen später das Negativ. Auf dieses Gerüst legt Pohlus eine zwei Zentimeter dicke Schicht aus hochwertigem, reinen Gips, der dann ``haargenau´´ abformt. Um das Negativ vom Leichnam abzunehmen, werden die Fäden vorsichtig vom Gesicht des Toten nach oben gezogen, und der dreiteilige Abdruck ist fertig.
Rund vier Stunden dauert die Prozedur am Leichnam. Meist ist Pohlus allein. Wie kommt sie damit zurecht? ``Als religiöser Mensch ist für mich der Körper eine Hülle, die der Mensch nach dem Tod ablegt´´, sagt sie. Die Totenmaske bilde den Charakter des Verstorbenen ab: "Das Gesicht offenbart, wie der Mensch gelebt hat.´´
In ihrem Atelier fügt die Künstlerin die drei Gipsteile zur Negativform zusammen und retuschiert Fehlstellen. Das Negativ wird mit Pottasche ausgetupft und mit Draht verstärkt. Pohlus füllt die Form mit einer Schicht Alabaster-Gips. Mit Hammer und Meißel trennt sie mit Fingerspitzengefühl das Negativ vom Positiv. Der Gipsabguss bekommt noch einen letzten Schliff, die 46-Jährige retuschiert die Maske mit einem feinen Pinsel.
Totenmasken sind eine kulturgeschichtlich gewachsene Tradition, die sich weit in die Vorgeschichte außereuropäischer Kulturen zurückverfolgen lässt. Eine der berühmtesten Totenmasken ist für Pohlus, die als Kunsterzieherin im Münchner Wilhelmgymnasium und als Dozentin für Abgusstechnik an der Fachhochschule Augsburg tätig ist, das goldene Antlitz von Sagenheld Agamemnon aus der Zeit um 1500 vor Christus. Im 19. Jahrhundert wurden Totenmasken zu Kultobjekten des aufgeklärten Bürgertums. Ob König Ludwig, Beethoven oder Wagner - bei Prominenten sei es üblich gewesen, eine Kopie für die Nachwelt zu erstellen, betont die Künstlerin.
Rund zehn Anfragen von Akademikern, Geschäftsleuten oder Schauspielern pro Jahr erhalten Bestatter in der Nähe einer Großstadt. ``Bei Schauspielern ist es fast selbstverständlich, eine Totenmaske anzufertigen´´, sagt ein Bestatter - ohne Namen zu nennen.
Die Zahl der Spezialisten für die Kunst am Tod ist überschaubar. Pohlus kam vor mehr als 23 Jahren an der Münchner Akademie der bildenden Künste in das seltene Metier. Sie durfte 1982 bei der Abnahme der Totenmaske des Komponisten Carl Orff assistieren. Seither hat sie rund 50 Masken selbst erstellt. ``Es entsteht wieder eine Kultur, mit dem Tod offener umzugehen´´, stellt sie fest. Die Hinterbliebenen einer bekannten Industriellenfamilie haben sie nach Wien gerufen, für eine Adelige übte sie ihre Kunstfertigkeit in Nord-Italien aus.
Die Totenmaske versteht die Künstlerin als Denkmal im privaten Raum: Die Angehörigen hängten sich das ``letzte Gesicht´´ zur Erinnerung an die Wand oder stellten es auf das Klavier: ``Mit dem Antlitz des Toten verbinden Angehörige ein geistiges Erbe.´´
(ddp)
28.10.2006 11:10 Uhr


"Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

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