Munich ist ein Bonsaifeeling!
(Auszug aus den „Kindheitserinnerungen
1954 bis 2005“ von Ali Khan)
München hat von allem a bissl was. Aber nur ganz wenig von allem.
München ist ein Bonsaifeeling. Wie ein Bonsaibäumchen.
Wenn mas nur allein anschaut im Vergrößerungsglas, kommts einem wie eine gestandene Stadt vor, aber wenn mas weiter wegschiebt, erdrückt jeder normale Gummibaum das Pflänzchen.
Ganz München samt Umland passt z.B. locker in die Altstadt von Mexico City oder Seoul.
Während Paris oder Wien mit kilometerlangen Prachtstrassen protzen, begnügt sich München nur mit eineinhalb, der Königstrasse und der Maximilianstrasse vielleicht.
Aber selbst die sind nur halb so lang wie die auswärtigen.
Die Länge der Isar als Stadtfluss würde ja auch ausreichen, nur die Wassermenge, die ihr gelassen wird, kann sich mit dem Rinnsaal des Tiber in Rom vergleichen, ganz abgesehen von der Wasserqualität im so „sauberen“ Bayern. Die hat ganzen Generationen von Kindern ein Bad in „ihrem“ Fluss verwehrt.
Wird man von einem Touristen nach dem berühmten Künstlerviertel Schwabing gefragt, wird’s einem fast Angst zu antworten.
„Da zwischen Mac Donalds und Peepshowkino irgendwo, da so ungefähr, ja da vorn, ja da wär unser Schwabing, oder so …“
Selbst die Bewegungen, die München zu ihrer Hauptstadt machten, waren großmundig angekündigt tausendjährige, dann aber eher zum Glück kurze Schnauferer, wenn auch mit furchtbaren Folgen für die übrige Menschheit.
Es scheint, als habe sich München an verrückte Könige, Feldherren, Komponisten, Schneider, Friseure, und Kabarettisten als Oberbürgermeister gewöhnt.
A bissl von allem haben auch diese Figuren zu bieten, aber am meisten den Schein, der sie von Nahem betrachtet groß, aber von weiter weg oft genug dürftig erscheinen lässt.
Und trotzdem trifft sich in München alles, was weltweit einen Namen hat, weiß Gott warum.
Vielleicht ist es ja die Sehnsucht der wahren Großstadtmenschen in einem überschaubaren Aquarium mal eine gemütliche Runde zu schwimmen.
Von München scheint ja alles so nah wie die Berge bei Föhnwetter: Inspiration, Weltruhm, Weltherrschaft, Schönheit ...
München hat für dieses Bonsaifeeling ein immer wiederkehrendes kulturelles Rahmenprogramm in Lederhosen und Dirndl parat, das meist von norddeutschen oder Serbokroaten abgewickelt wird.
Münchner ist man nämlich, wenn man den Satz:
„Ich bin ein echter Münchner“ aussprechen kann, selbst wenn man ihn in chinesisch sagt.
München is a Riesenhur, die üppig mit dem um sich wirft, was sie noch nie hatte: „Größe“.
Weilt man nur ein paar Tage im Aquarium, merkt man natürlich noch nichts vom real existierenden Größenwahn und Bürohaus-überladenen Teurozentrum für den dort Geborenen.
Deshalb sprechen vor allem auch nur Zweitwohnungsbesitzer und Großverdiener vom „charmanten“ München.
Weltstadt mit Herz, wie gesagt ein ganz kleines Herz, einer sündteuren Stadt, die immer so tut, als habe sie Diamanten im Leder-Unterhoserl.
Ein paar Worte, die der „echte „ Münchner also können sollte, um am kulturellen und gastronomischen Überfluss der Stadt teilzuhaben, wären:
„He Du Zenzi, bring mia amol a frische Moaß und an Obatzda mit frische Radissl“ … und schon wirbelt eine im Dirndl verkleidete Studentin der Theaterwissenschaften zum Tresen und erfüllt den Wunsch des „echten“ Münchens.
München, ein Traum für Menschen, die nach tiefer Biertischdepression über Hunger, Krieg und Folter in der Welt in die Sauna gehen, und in der Teufelshitze das Böse erfolgreich rausschwitzen können.